Irgendwann einmal landet wohl jeder von uns auf einer der vielen Internetplattformen in denen jeder jeden kennt. So auch ich! Also, zappt man sich durch endlose Profilseiten um dann festzustellen, man kennt doch niemanden. Man gründet eine eigene Gruppe/Clan oder landet bei den Bluesern. Schließlich entdeckt man sogar Besucher und Mitglieder dieses Forums. Also lese ich mit. Als die Band Das dritte Ohr thematisiert wird, melde ich mich sogar zu Wort und gebe meine Eindrücke über das gemeinsamen Konzert mit den Engerlingen wieder. Plötzlich meldet sich ein User aus NRW und kritisiert diese Band wegen ihrer banalen Texte und lobt die Texte der Ostbands. Ich gebe ihm zwar recht, bin aber über die Schärfe erstaunt und ziehe mich zurück. Dennoch lässt mich seine Meinung verwundern, findet man sie doch nicht allzu oft. Die wikipedia ist bestes Beispiel dafür. Die Betreiber des Portals Rock haben so etwas wie eine hall of fame auf ihre Seite gestellt. Seit Jahren versuchen angemeldete und anonyme Nutzer immer mal wieder Ostbands dort einzustellen, beispielsweise die legendäre Klaus-Renft-Combo. Keine Chance. Kriterium sind die Charterfolge in Old Germany, UK und den USA. Sehr antiquiert diese Auffassung, wie die Relevanzkriterien für Bands und Musiker überhaupt. Also löscht man munter drauf los, streicht oder ändert und beurteilt den Ostrock mit der Westbrille. Und vergisst dabei, dass gerade unangepasste Bands, unabhängig von der Qualität oder gar der Beliebtheit, gerade deswegen nicht die Relevanzkriterien erfüllen. Selbst die Veröffentlichung von Alben oder gar die Auflagenhöhe war in der DDR eben von politischen und sogar ökonomischen Faktoren abhängig. Wenigstens sind die Jazzer und Blueser in der Wikipedia liberaler. Mit Genugtuung beobachte ich, wie lange sich der Artikel über die Band Vai hu mit Stefan Diestelmann hält, obwohl sie keine googel-Treffer, Medienpräsenz oder gar Veröffentlichungen aufweisen kann, aber wesentlich zur Verbreitung des Blues in der DDR beigetragen hat. Interessant ist das Thema allemal und sicherlich umstritten. Ich behaupte sogar aus heutiger Sicht, dass die massiven politischen Einmischungen zu einer relativ eigenständigen Entwicklung der Ostmusik geführt haben. Im Osten konnte nicht jeder öffentlich auftreten. Voraussetzung war die „Spielerlaubnis“ und eine Einstufung als Amateurband, Berufsformation oder Formation der Sonderklasse. Wer mit der Musik seinen „Lebensunterhalt“ bestreiten wollte, brauchte einen Berufsausweis. Voraussetzung für den Berufsausweis war ein Studium an einer Musikhochschule. Es gab die berüchtigte 60/40-Regel, die bei den Liveauftritten der Bands oft genug umgangen worden ist. Aber letztlich hat sie dazu geführt, das die Bands gezwungene waren eigenständige Wege zu gehen, deutschsprachige Texte zu singen und ein eigenes Profil zu entwickeln. Viele haben genervt aufgegeben, sind in den Westen gegangen, andere versuchten Gratwanderungen und wieder andere haben sich ganz bewusst dieser Aufgabe gestellt. Und wollte man gut sein, mussten eben die Texte auch gut sein. Und die Fans haben es durch jahrelange Treue gedankt. Nur mal so gedacht!
Mmm, dies ist wirklich ein sehr interssantes Them. Wir selbst haben vor einiger Zeit mal auf dem Bluesharp Festival in Klingenthal gespielt, und konnten da einigen Kontakt aufbauen. Aber wie schon richtig angedeutet die Situation für "West-und Ostblueser" war eigentlich vergleichbar. Wurde man im Osten in eine harte Kiste verpackt, so fand man sich im Westen in Watte wieder. 20% des weltweiten Umsatzes in Pop und Rock wurden in Westdeutschland gemacht. Die Künstler aus dem Westen mit internationalem Erfolg kann man aber an einer Hand abzählen: Kraftwerk Nina Hagen (!) Scorpions Nena Boney M Falco (ach ne der gilt nich ) von Blues-Muckern aus Westdeutschland in den Charts ganz zu schweigen... Ist halt ein anglo-amerikanisches Phänomen - wir bauen aber bessere Autos
schöner und informativer Beitrag! Ich als bekennender Nichtcoverfreund würde mir für den "Westen" auch eine 60/40- Regel, oder noch besser einen 90/10- Erlass wünschen, respektive gewünscht haben. Somit würden neue Stilrichtungen und vor allem die Kreativität manch Musiker gefördert werden.
Ist hier aber nie der Fall gewesen, deshalb spielen grob geschätzt 90% aller Semiprofis abgelutschtes nach ! Dem Dauerkonzertgeher wird es somit nach einer Weile recht langweilig, da sich Programmabläufe sehr ähneln und nur wenig spannendes weil neues zu hören ist.
Das kann ich nur bestätigen. Als experimentierfreudiger Veranstalter biste dann zuweilen ziemlich alleine im Saal, aber nur der Anspruch bringt weiter. Diese profillosen Anbieter fallen dann schon mal raus, auch wenn se ein gutes Handwerk machen.
Im Westen gab, und jetzt in ganz Deutschland, gibt es etwas vergleichbares, und zwar die GEMA Vermutung. Wir haben da schon mal mächtig angeeckt... Unser Repertoire besteht zu 95% aus eigenen Stücken. Covered man aber nur einen Song, so ist die GEMA-Gebühr pauschal für den ganzen Event zu entrichten (und falls man nicht gemeldet hatte, verdoppelt als "Strafzoll"). Selbst wenn man angibt,daß man nur eigene Songs spielt, so geht man bei der GEMA davon aus, das dies nicht sein kann, und verlangt eine Liste der Stücke (dies ist glaube ich die einzige Rechtsprechung wo der "Beschuldigte" seine Unschuld nachweisen muß, und nicht umgekehrt). Und ich Idiot hatte einmal in der Liste den Song "Stormy monday Blues" aufgeführt... Glück im Unglück, der ist älter als 50 Jahre und damit nicht mehr GEMA-pflichtig . Diesbezüglich mußten aber dann telefonische Anfragen mit der Zentrale in Hamburg beantwortet werden!
Der Kreativist hat es also nicht so ganz einfach...
Letzte Erfahrung zum Thema ost-west-unterschiede habe ich heute Nacht beim Monokel-Konzert gemacht. Monokel beginnt wie üblich mit dem Kindertraum und spielt einen Titel nach dem anderen aus ihrem umfangreichen Programm. Vor der Pause dann einen alten Bluesklassiker, sozusagen als "Rausschmeißer". In der Pause spricht mich einer an: Mensch können die nicht noch mehr von den Sachen spielen?". Ich schau ihn an und frage ihn wo er her käme. Er kam aus dem Wedding und es war sein erstes Monokel-Konzert. Ich antworte ihm, dass ich die Band schon seit fast 30 Jahren höre und all die Leute da drin, Monokel hören wollten und nichts anderes. Er solle sich gedulden, seine Klassiker kämen bei der Zugabe. So war es dann auch!
@soulmatic: Formal hatten wohl AWA und GEMA gleiche Aufgaben. Aber während das was Du beschreibst eine reine kommerzielle Angelegenheit war, war doch die Beschränkung im Osten primär politisch bedingt. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
@netzteil: Das mag sein! Aber Silly war eben mainstream und den habe ich mir einfach nicht angetan. Und die Szene war halt viel mehr, bunter und vielseitiger als Silly, Puhdys und Karat.
Der Blues und das dazugehörige Publikum hatte im Osten einen ganz anderen Stellenwert als im Westen. Im Westen nur als Nischenmusik war der Blues im Osten auch eine Art Lebensphilosophie und eine Art politische Aussage ähnlich der Hippis. Das fehlte im Westen.
Schade das dich Silly nie interessiert hat und schlimm finde ich das du Tamara Danz mit Puhdys und Karat auf eine Stufe stellst. Da liegt ein Vergleich mit Renft und den Puhdys näher, waren doch ihr Anfangsjahre sehr, sehr ähnlich. (Ja ich übertreibe.)
Was die 60/40 Regelung anbetrifft stand diese nur auf dem Zettel. Keine Amateurband spielte 60% Titel aus dem Osten. Das Verhältnis war ca. 90/10 also 90% international und 10 % eigenes Material. Wir haben z.B eigenes wenigstens 3 mal auf die Liste gesetzt. Immer mit anderem Namen, da zu kamen noch so genante traditionelle Stücke wo der Verfasser lange tot oder unbekannt war diese wurden dann unter der Bearbeitung von ..... gestellt. dieser bekam dann die AWA Vergütung.
Ich fand es Früher ehr schade das im Amateurbereich wenige eigene Titel zu finden wahren. Die Leute wollten gern ihre Idole hören es wahr ja leider so gut wie nicht möglich.
Zum allgemeinem Verständnis: Amateure wahren so gut wie alle die in der DDR nicht Musik studiert hatten bzw. nicht von der Konzert und Gastspiel Direktion gelenkt wurden.
Ps. @Blueser vielleicht sieht man sich zum Bluesfasching in Apolda
Meine Liste war keine Wertung oder Stufe. Es war eine Aufzählung von Namen, die einem Bundesbürger jenseits der Elbe zum Thema einfallen. Das ändert aber nichts daran, dass ich dem mainstream prinzipell aus dem Wege gehe. Aber 1978, als Silly entstand, war ich längst Blueser und hab mich max. noch für den Jazz interesssiert (hat mit Peitz begonnen und bis Warschau zur Jamboree gereicht). Da waren es vor allem Lenz, SOK, FEZ, Bergendy (!) aber auch Modern Soul. Mit den Idolen gebe ich Dir natürlich recht. Ich habe heute noch meine Götter. Aber spätestens nach Bye,bye Lübben City hatten wir es gerafft. Apolda reizt, schon wegen Kirsche&C0. Gruß Blueser